Sonntag, 21. Dezember 2014

„Eine Leiche und ein Bier, bitte!“

„Psst, Ruhe jetzt! Es geht los!“ Es herrscht eine murmelnde Atmosphäre. Über was gesprochen wird ist nicht zu vernehmen. Drei Augenpaare huschen über die Leinwand. Dann läuft eine Gestalt durch das Bild. „Können Sie vielleicht noch ein bisschen lauter machen?“ Doch als die bekannte Melodie einsetzt, ist das gar nicht mehr nötig. Jetzt verstummt das Gemurmel. Das Bier steht bereit. Die Augen richten sich gespannt zur Leinwand.

Es ist der 30. November. Erster Advent. Sonntagabend, 20.15 Uhr. Die Melodie, die in dieser Minute durch das „Litfaß“ in Oldenburg tönt, tönt an diesem Abend auch in rund zehn Millionen Wohnzimmern in ganz Deutschland. Es ist „Tatort“-Zeit.

Seit 1970 gehen die „Tatort“-Ermittler nun schon auf Verbrecherjagd. Damit ist der „Tatort“ die am längsten laufende und beliebteste Krimireihe im deutschen Fernsehen. In 44 Jahren liefen bis heute mehr als 900 Episoden. Traditionell laufen die Erstausstrahlungen immer am Sonntagabend zur besten Sendezeit. Für viele Millionen Menschen in Deutschland ist der Krimi zum festen Bestandteil eines Sonntages geworden. Der „Tatort“ ist vielleicht das letzte große TV-Lagerfeuer im deutschen Fernsehen, denn kaum eine andere Sendung holt solch hohe Zuschauerzahlen, und das in allen Altersgruppen.



Aber warum ist die Krimiserie so beliebt? Und warum wird der „Tatort“ seit einigen Jahren sogar im Rahmen von Public Viewings geschaut?

Ähnlich wie der „Tatort“ im Fernsehen Kult ist, hat auch das Bistro „Litfaß“ Kultstatus unter den Oldenburger Kneipen erreicht. An der Ecke Lindenstraße ist das „Litfaß“ schon seit 30 Jahren Anziehungspunkt für ein gemütliches Treffen nach Feierabend. Seit Februar 2013 zieht es vor allem alle Krimi-Freunde in die Eck-Kneipe. „Das „Tatort“-Gucken gehört mittlerweile fest zu unseren wöchentlichen Events“, berichtet Servicekraft Martina Rössmann. „Ich bin selber großer Fan der Reihe und hatte die Idee dazu“, sagt sie.



An diesem Sonntagabend ist das „Litfaß“ voller als sonst. Aber das verwundert kaum. Denn die Folge, die an diesem Abend ausgestrahlt wird, ist eine ganz Besondere: "Die Weisheit des Löwen" wurde nämlich in Oldenburg gedreht. 15 Leute haben sich im Thekenraum der Kneipe vor der großen Leinwand versammelt. Einige schauen auch auf einem Flachbildschirm an der Wand zu. Viele sind neugierig, ob sie Schauplätze in der Folge wiedererkennen. Martina Rössmann berichtet, dass sie sogar zufällig mitbekommen hat, wie gedreht wurde. „Den habe ich beim Dreh gesehen“, ruft sie durch die Kneipe als gerade eine Verfolgungsjagd gezeigt wird.

Bitte nicht stören: Konzentriertes Fernsehen im "Litfaß"

Gespannt: Frank, Harm, Monika und Johann (v.l.) erwarten den "Tatort".

Das gemeinschaftliche Fernsehen, das sogenannte Public Viewing ist seit einigen Jahren unter Fußballfans bei Großereignissen wie z.B. einer WM beliebt. Doch immer öfter werden auch andere zuschauerstarke Fernsehprogramme nicht mehr nur zuhause, sondern mit anderen geschaut. Das Fernsehen wird zu einem Event gemacht.
Das gemeinsame „Tatort“-Gucken erfreut sich wachsender Beliebtheit. In mehr als 350 Kneipen in ganz Deutschland kann man die Mordfälle sonntags verfolgen. Auf „tatort.de“ gibt es eine Übersicht mit allen Städten und Locations. Dort können Betreiber auch ihre Kneipe hinzufügen. Unter „O“ ist Oldenburg mit dem „Litfaß“ vertreten.




An diesem Abend sind unter den 15 „Tatort"-Fans auch Monika, Johann, Harm und Frank. Die vier Freunde aus Oldenburg sind nicht jeden Sonntag im "Litfaß". Diesen Abend haben sie sich aber ganz bewusst ausgesucht. Denn einen „Tatort" aus „ihrer“ Stadt gibt es schließlich nicht alle Tage zu sehen. „Es ist angenehmer und lustiger hier in der Kneipe, als wenn man nur zuhause schaut“, sagt Monika. Sie schaut den „Tatort“ immer dann, wenn die Kritiken im Vorfeld gut sind. „Es ist einfach ein schöner Anlass sich mit Freunden mal wieder zu treffen“, findet sie.





So geht es auch Lars Borcherding aus Oldenburg. Er ist mit einem Freund zum Gucken gekommen. Er kommt ursprünglich aus München und das „Tatort“-Gucken gehörte schon dort immer zum Sonntag dazu. „Ich habe dann im Internet recherchiert, wo man das hier in Oldenburg machen kann, und bin so auf das „Litfaß“ gestoßen“, sagt Lars. Er fasst das Feeling zusammen: „Ein gemütliches Bier trinken und dazu ein spannender Krimi. Ein perfekter Ausklang des Wochenendes.“
 




Es ist 21.45 Uhr. Der Abspann läuft. Schauspieler Wotan Wilke Möhring hat den Oldenburger Fall „Die Weisheit des Löwen“ gelöst. Die Meinungen unter den Gästen im "Litfaß" zu der Folge sind eher durchwachsen. „War jetzt nicht so herausrausragend“, findet Frank. Für Johann war die Episode „zu melodramatisch“. Aber es gibt auch Positives. „Wir haben viele Drehorte wiedererkannt“, berichtet Monika. „Es war ein schöner Abend in netter Runde. Es hat sich auf jeden Fall gelohnt.“ Das Fazit der Public Viewing-Neulinge fällt durchweg gut aus. Ein wiederholtes Treffen am Sonntagabend wird nicht ausgeschlossen.

Mittwoch, 17. Dezember 2014

Die Deutschen glotzen am liebsten in die Flimmerkiste


Was tun die Deutschen am liebsten in ihrer Freizeit? In der Zeit, die nicht mit Arbeit verbracht werden muss und in der jeder tun kann worauf er Lust hat. Vielleicht Zeit mit der Familie oder Freunden verbringen oder Bewegung im Freien? Alles weit gefehlt. Denn quer durch alle Altersschichten, Bundesländer und Vermögenszustände: Am liebsten verbringen die Deutschen ihre freie Zeit mit ihrem Fernseher.
 
Dies hat die Stiftung für Zukunftsfragen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) jetzt in ihrem Freizeit-Monitor 2014 veröffentlicht. Darin wurden die beliebtesten Freizeitbeschäftigungen der Deutschen ermittelt. Dazu wurden im Juli diesen Jahres insgesamt 4045 repräsentativ ausgewählte Personen ab 14 Jahren aller Alters- und Gesellschaftsschichten befragt. Satte 97% der Deutschen schauen mindestens einmal pro Woche fern. Über zwei Drittel der Befragten tun dies sogar täglich. Deutschland ist und bleibt ein klassisches Fernsehland. Denn zum 25. Mal belegt „Fernsehen“ den ersten Platz in dieser Untersuchung.

Auf Platz zwei hat es ebenfalls ein Medium geschafft: das Radio. Platz drei geht an Telefonieren von zu Hause. Auch der Boom des Internets in den letzten Jahren kommt nach wie vor nicht gegen das Fernsehen an. Dennoch hat das Surfen im Internet den größten Sprung unter den liebsten Freizeitbeschäftigungen gemacht und liegt jetzt auf dem fünften Platz. Erstmals liegt es vor Erholsamem wie Ausschlafen, Faulenzen oder Gedanken nachgehen.

 

219 Minuten Fernsehen am Tag

 

Jeder Deutsche hat im Durchschnitt drei Stunden und 56 Minuten Freizeit. Ein Großteil davon wird vor der Flimmerkiste verbracht: Die Fernsehnutzung war 2014 im Schnitt mit 219 Minuten pro Tag im Vergleich zum Vorjahr stabil. Das hat die Quotenmessung 2014 der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) ergeben. Auch wenn immer wieder gesagt wird, dass die Zukunft des Fernsehens bezüglich junger Zuschauer finster aussieht, so sprechen die Zahlen bisher eine andere Sprache. Die Anzahl der Fernsehenden blieb in den jungen Zielgruppen stabil. Insgesamt stieg die Anzahl sogar leicht um 1%.

Es ist nicht die Frage, ob ferngesehen wird, sondern eher wie. Denn ein klarer Trend zeigt doch in Richtung Internet: Streaming-Dienste werden immer beliebter. Gerade die Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen ist bei dieser Art des Fernsehens überdurchschnittlich stark vertreten. Dies spiegelt sich auch in der Nutzung des linearen Programms über klassische Geräte wider: In dieser Zielgruppe wurde ein Minus von 6% in der Nutzung festgestellt.

Doch auch wenn einige Zuschauer ins Internet abwandern: Die beliebteste Freizeitbeschäftigung der Deutschen dürfte für die nächsten Jahre bereits feststehen.